Marktberichte

Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 07.07.2023

Auf der Suche nach dem Kaufkrafterhalt

Die US-Zentralbank Federal Reserve (Fed) hat zwar zunächst eine Pause bei der Zinserhöhung eingelegt, aber die Europäische Zentralbank (EZB) und auch die Bank of England (BoE) lassen keinen Zweifel: Für sie ist das Ende der Fahnenstange im Kampf gegen die Inflation noch nicht erreicht. Selbst die türkische Zentralbank, die bisher einen ganz eigenen Weg zur Bändigung der Inflation gegangen war, hat die Zinsen angehoben. Gut so. Die „große Rebalancierung“, der Weg zurück zum Gleichgewicht der Weltwirtschaft, findet statt, und die entstandenen Ungleichgewichte entladen sich zuerst in den Preisen. Da ist es umso wichtiger, seitens der Währungshüter die Inflationserwartungen mit Wort und Tat zu brechen. Auch die Fed dürfte nicht lange untätig bleiben. Sie wollte mit der Pause offensichtlich nur einen ohnehin schon – von den Problemen bei den US-Regionalbanken – aufgewühlten Markt nicht noch weiter aufwirbeln.

Für die Anleger geht derweil der Kampf gegen den Wertverlust weiter. Zwar wirken die nun wieder positiven Renditen beruhigend, aber Grund zum Ausruhen gibt es keinen. Im Gegenteil. Gemessen an den Realzinsen, also dem, was von den Nominalzinsen nach Abzug der Inflation noch übrig bleibt, hat sich die Lage sogar deutlich verschlechtert. Wie langfristig historische Betrachtungen zeigen1 , sind negative Realzinsen selten, aber leider keine Unbekannten. Wir müssen jedoch bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückgehen, um ein ähnlich tiefes – negatives – Niveau zu finden. Anders ausgedrückt: Die Renditen sind wieder da, aber die Inflation einberechnet sind sie tiefrot.

Natürlich lässt sich einwenden, dies sei nur eine Momentaufnahme. Die Nominalrenditen sollten langsam zulegen, während der Gipfel der Inflation bereits überschritten zu sein scheint. Es kommt also auf die zukünftige Entwicklung der Inflation an. Hier ist aber kaum ein schnelles Zurück zu den von der EZB angestrebten 2 % im Durchschnitt der Jahre zu erwarten.

Auch hier sind die Lehren aus der Vergangenheit hilfreich. Hohe Inflationsraten brauchten lange, um auf niedrige Niveaus zurückzufallen, wie hauseigene Berechnungen ergeben. Dafür wurden die seit 1971 zu beobachtenden Inflationsregime der G7-Staaten sowie weiterer Länder (Dänemark, Hongkong, Neuseeland, Norwegen, Schweden, Schweiz, Singapur) betrachtet. Was sich zeigt ist: Rund zwei Jahre nachdem der Gipfel überschritten wurde, bewegte sich die Inflation im Durchschnitt noch immer auf der Hälfte des Gipfelniveaus. Nach fünf Jahren war sie auf etwas mehr als ein Drittel zurückgegangen. Inflation scheint also nachzuhallen.

Doch damit nicht genug. Wichtige Disruptoren dürften zumindest zu einem uns latent begleitenden Inflationsdruck beitragen: Während die Digitalisierung für Effizienzsteigerungen in der Wirtschaft sorgen sollte und die immer knapper werdenden Arbeitsplätze, jedenfalls zum Teil, durch Technologie ersetzt werden können, führen Demografie, Dekarbonisierung (also die Transformation der Weltwirtschaft auf Klimaneutralität) und Deglobalisierung zu eher steigenden Preisen.

Das legt folgende taktische Allokation für Aktien und Anleihen nahe:

  • Die Inflation dürfte uns noch länger begleiten. Aus Investorensicht wird damit der Kaufkrafterhalt zur untersten Verteidigungslinie bei der Kapitalanlage. Es liegt nahe, Vermögensklassen, die bei erhöhter Inflation eine positive Realrendite erwarten lassen, bei der langfristigen/strategischen Ausrichtung höher zu gewichten.
  • Spätestens mit dem Handlungsdruck der Dekarbonisierung ist die Nachhaltigkeit endgültig zum Anlagetrend geworden. Die Inklusion von Nachhaltigkeitskriterien muss dabei nicht nachteilig sein, wie eine Fülle akademischer Studien2 zeigt.
  • Aus kurzfristiger/taktischer Sicht erscheint mehr Vorsicht angebracht. An den Aktienmärkten fehlt es auffallend an Marktbreite. Die Kursavancen der letzten Wochen wurden von vergleichsweise wenigen Titeln getragen. Der Technologiesektor dominierte das Marktgeschehen.
  • Auch scheint sich der Markt selbst nicht zu trauen. Die Anlegerstimmung, gemessen am Sentix, ist unverändert verhalten für Aktien, während gleichzeitig die Anleihenmärkte die Rezession einpreisen, wie es z. B. die Zinsstrukturkurven für die USA und Deutschland bzw. den Euroraum zeigen.
  • Eine Rezession in den USA zum Jahreswechsel hin ist noch nicht vom Tisch. Sie wäre für die US-Zentralbank auch ein wichtiges Signal, um die Inflationserwartungen zu brechen.
  • Während der Wachstumsausblick für die Aktienmärkte ein Belastungsfaktor bleiben sollte, dürften die Staatsanleihemärkte davon eher profitieren.
  • Die Welt verändert sich in einer nie gekannten Geschwindigkeit. Technologische, politische und ökonomische Treiber greifen ineinander und schaffen das, was wir unter „Disruption“ kennen. Diese Disruption hat gleich mehrere Dimensionen.
  • Demografie: Demografisch wächst die Welt zwar weiter, wird dabei aber älter, und die Zuwachsraten nehmen ab. Bereits seit 2013 scheiden in den Industriestaaten mehr Menschen aus dem Arbeitsleben aus, als neue hinzutreten. Auch auf der Welt insgesamt nimmt der Anteil der 15- bis 64-Jährigen an der Gesamtbevölkerung bereits ab. Der Faktor Arbeit wird knapper – und voraussichtlich teurer.
  • Da kommt die Digitalisierung gerade rechtzeitig, um zumindest einen Teil der entfallenden Arbeitskräfte zu ersetzen.
  • Dazu der Kampf gegen den Klimawandel: Die Weltwirtschaft muss treibhausgasneutral werden. Dekarbonisierung ist das große Ziel. Für die Transformation werden riesige Summen an Investitionen benötigt. Damit Treibhausgase emittiert werden können, müssen z. B. in der EU Emissionsrechte vorgewiesen und möglicherweise zugekauft werden. Was ökonomisch ein höchst effizienter Mechanismus für das Klima ist, heißt für die Verbraucher: Treibhausgase werden zum Kostenfaktor, während sie davor noch umsonst waren.
  • Nicht zu vergessen die Deglobalisierung. Schon aus Risikovorsorge müssen Lieferketten durch Liefernetzwerke ersetzt werden. Ökonomisch ist klar: Wenn Standortvorteile weniger genutzt werden können, wirkt sich das auf die Preise aus. Nicht zum Besseren.
  • Aus Investorensicht heißt das: Mit Ausnahme der Digitalisierung sollten diese disruptiven Faktoren für länger anhaltend hohe Inflationsraten sorgen. Die Verteidigung des Kaufkrafterhalts ist damit die drängendste Aufgabe der Kapitalanlage. Warum also nicht in jene Marktsegmente investieren, die von der Disruption selbst profitieren bzw. diese vorantreiben?

Kaufkrafterhalt in Zeiten erhöhter Inflation, wünscht Ihnen

Dr. Hans-Jörg Naumer
Director Global Capital Markets & Thematic Research


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Fußnoten

1Quelle: Paul Schmelzing; „Eight centuries of global real interest rates, R-G, and the ‘suprasecular’ decline”; 1311–2018; Refinitiv.
2Vgl. dazu z. B. die Meta-Analyse „ESG and Financial Performance: Uncovering the Relationship by Aggregating Evidence from 1,000 Plus Studies Published between 2015 – 2020” von Tensie Whelan, Ulrich Atz und Casey Clark.