Marktberichte

Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 10.03.2023

Die Inflation schlagen

Allerorten ist die Stimmung für die Wirtschaft pessimistisch – und das ist durchaus verständlich. Überall sind Entwicklungen zu erkennen, die in der Regel mit einer Rezession assoziiert werden: eine rasche Straffung der Geldpolitik, Renditekurveninversionen, schwächelnde Immobilienmärkte, eine eingeschränkte Kreditvergabe der Banken usw.

Knapp die Hälfte der US-Amerikaner glauben, ihr Land befinde sich bereits in einer Rezession. Gleichzeitig scheint die Konjunktur noch munter entlangzuschnurren. Das Konjunkturbarometer („GDP tracker“) der Atlanta Federal Reserve weist für das erste Quartal 2023 ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von rund 2% aus. Real (inflationsbereinigt) könnte der stärkste Anstieg der Konsumausgaben seit Mitte 2021 erzielt werden.

Wie kann das sein? Die Überschussersparnis ist ein Grund für das anhaltend robuste Wachstum. Während der Pandemie haben viele private Haushalte die zur Konjunkturankurbelung gedachten staatlichen Unterstützungszahlungen sowie das Geld, das sie wegen der Ladenschließungen nicht ausgeben konnten, gespart. Studien der Federal Reserve und unseren eigenen Berechnungen zufolge sind so bis Ende 2022 wohl rund 1,2 Billionen US-Dollar zusammengekommen. (Vgl. unsere „Grafik der Woche“).

Der langsamere Anstieg der Inflationsraten im Jahresvergleich sollte nicht als Zeichen einer nachhaltigen und breit angelegten Disinflation missverstanden werden. Schon allein die Historie zeigt, ein Anstieg der Inflation klingt in der Regel nur langsam und über mehrere Jahre ab. Dazu kommen die säkularen Preistreiber Demografie, Deglobalisierung und Dekarbonisierung. Außerdem spüren wir aktuell ein Überspringen der Inflationstreiber auf die Kernkomponenten des Warenkorbes, weil z. B. Energiepreise oder steigende Lohnkosten übertragen werden.

So ist ein ganz seltsames Umfeld entstanden: Einerseits beschweren sich die Verbraucher lautstark über steigende Preise, andererseits können sie ihren Konsum real steigern. Dadurch werden Wachstum und Inflation parallel in die Höhe getrieben. Diese Dynamik sollte allerdings abklingen, wenn die Ersparnis im weiteren Jahresverlauf wieder auf ein normaleres Niveau zurückgeht.

Die Woche voraus

Die Woche beginnt in Bezug auf Wirtschaftsdaten gemütlich; am Montag stehen keine allzu wichtigen Daten an. Dann wird es aber schnell sehr interessant.

Am Dienstag geht es in China los, wo die Wirtschaft nach der Coronapandemie rascher wieder geöffnet wurde als viele Analysten erwarteten. Im Dezember hob die Regierung die meisten Einschränkungen auf, und seither sind die Hochfrequenzdaten in die Höhe geschnellt. Dazu gehören z.B. die Zahl der U-Bahn-Fahrgäste, der Staus und der Flugreisen ebenso wie der Kohleverbrauch und die Stahlproduktion. Dennoch liegt das für 2023 ausgegebene, neue staatliche Wachstumsziel mit „rund 5%“ am unteren Ende der Markterwartungen. Deshalb dürften die am Dienstag anstehenden Zahlen zu Anlageinvestitionen, Industrieproduktion und Einzelhandelsumsätzen in China überdurchschnittlich viel Interesse finden.

Im Laufe des Dienstags rücken dann anstelle von China die USA ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Dort werden die letzten umfassenden Inflationsdaten vor der Sitzung der Federal Reserve am 20. und 21. März veröffentlicht. Der Konsens rechnet damit, dass der zugrundeliegende Preisauftrieb kräftig bleibt; die Kernrate des Verbraucherpreises (VPI) dürfte zum dritten Mal in Folge um 0,4% gegenüber dem Vormonat ansteigen. Die Jahresrate könnte sich zwar von 5,6% auf 5,4% verlangsamen, was aber nicht zuletzt auf Basiseffekte zurückzuführen wäre. Außerdem läge sie damit immer noch mehr als doppelt so hoch wie der Zielwert der Fed von 2%. Die zuletzt höheren Preise für Gebrauchtwagen deuten auf Aufwärtsrisiken hin.

In Europa ist die Europäische Zentralbank (EZB)-Entscheidung am Donnerstag das wichtigste Ereignis. Angesichts der jüngsten Äußerungen der EZB scheint eine weitere Zinserhöhung um 50 Basispunkte (Bp.) eine sichere Sache. Interessant ist aber, ob die EZB womöglich weitere Zinsschritte vorab ankündigt, um so die Inflation besser zum Zielwert von 2% zurückschleusen zu können. Vorläufigen Daten zufolge lag die Inflationsrate im Euroraum im Februar mit 8,5% gegenüber dem Vorjahr über der Konsensprognose von 8,2%. Die endgültigen Zahlen sollen am Freitag veröffentlicht werden und könnten sogar eine Beschleunigung auf 8,6% ausweisen.

Technische Daten

Das technische Umfeld ist uneinheitlich. Die Marktvolatilität könnte bis nach der Sitzung der Federal Reserve hoch bleiben, da die Marktteilnehmer sensibler auf Wachstums-, Inflations- und Zinsentwicklungen reagieren.

Trotz der jüngsten Turbulenzen konnte der S&P 500 jedoch seinen gleitenden 200-Tages-Durchschnitt verteidigen, und bis zum April erscheinen die saisonalen Muster günstig. Wegen der vergleichsweise günstigeren Wachstumsaussichten fließt nach wie vor Kapital nach Europa; vor allem zyklische Titel und Bankaktien sind beliebt.

Die Positionierung erscheint für antizyklische Anleger nach wie vor konstruktiv. Investmentfonds halten hohe Barbestände, die Anlegerstimmung ist eher pessimistisch, die Nettoverschuldung der Hedgefonds ist gering und ein rekordniedriger Anteil von Anlegern plant, das Engagement in Aktien auszubauen.

 

Auf dass Sie mit Ihren Anlagen die Inflation schlagen!

Greg Meier
Director, Senior Economist, Global Economics and Strategy


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