Die neueste Nachricht lautet, dass China und die USA ihren jeweiligen Kurs – der faktisch ein Handelsembargo zwischen den beiden Ländern bedeutet hätte – geändert haben. Das wurde am Finanzmarkt sehr gut aufgenommen. China will, so die Vereinbarung, seine Zölle auf US-Güter für einen Zeitraum von 90 Tagen auf 10% senken, und die US-Zölle sollen für denselben Zeitraum auf 30% reduziert werden. Nun hoffen die Anleger, dass in diesen 90 Tagen ein langfristiges Abkommen ausgehandelt wird. Dies würde zwar die Spannungen, die durch den strategischen Wettbewerb zwischen den beiden Ländern entstehen, nicht vollständig abbauen, aber zumindest das Umfeld für die Unternehmen verlässlicher gestalten.
In einer ersten Reaktion stiegen die Aktienkurse sowohl in den USA als auch in China deutlich über den Stand vom 2. April, also dem Tag, an dem die länderspezifischen Zölle angekündigt wurden, und die Inflationserwartungen für die kommenden 12 Monate gingen am Tag nach der Bekanntgabe der Einigung um knapp 0,25% zurück. Nichtsdestotrotz wird einer Lockerung der Zentralbankpolitik in allen wichtigen Märkten inzwischen eine geringere Wahrscheinlichkeit beigemessen, denn nach Auffassung der Märkte ist das Risiko einer US-Rezession gesunken. Der US-Dollar machte etwa ein Drittel seiner Kursverluste der vergangenen drei Monate gegenüber europäischen Währungen und dem japanischen Yen wieder gut. Die Aufwertung des chinesischen Yuan nach der Einigung ist vielleicht noch bemerkenswerter, denn die Währung entwickelte sich sogar noch besser als der Dollar.
Betrachten wir die Entwicklung einmal mit etwas Abstand: Zum Zeitpunkt der Wahlen im November waren die Märkte noch sehr optimistisch, dass Präsident Trump eine pragmatische und wirtschaftsfreundliche Politik verfolgen werde. Bis April schlug diese Stimmung in tiefe Verzweiflung um; die Märkte fürchteten, die Konjunktur werde womöglich durch einen potenziell hochgradig autodestruktiven Policy-Mix abgewürgt. In der nächsten Phase dürfte es jetzt vor allem um die Frage gehen, wie die US-Administration die Handelspolitik stabilisieren und gleichzeitig weitreichende Änderungen an der US-Fiskal- und Regulierungspolitik vornehmen will. Eine solche Kombination dürfte es möglich machen, dass sich das Verbraucher- und das Geschäftsklima von häufig außerordentlich niedrigen Niveaus aus wieder erholen.
Das heißt jedoch noch lange nicht, dass auch die Konjunktur in den kommenden Monaten anzieht. Denn manche Unternehmen haben versucht, Käufe vorzuziehen, bevor etwaige Zölle in Kraft treten.
Im März schnellten die US-Importe von Pharmaprodukten in die Höhe, und im selben Monat stieg die Produktion in Deutschland ungewöhnlich kräftig an. Beide Entwicklungen hängen wahrscheinlich miteinander zusammen. Insgesamt wurde die Konjunktur in Ländern, die in die USA exportieren, im ersten Quartal wohl dadurch angekurbelt, dass die Unternehmen mehr Aufträge erteilten, um sicherzugehen, dass die entsprechenden Güter vor der Verhängung etwaiger Zölle ankämen. Dadurch sinkt das Potenzial für weitere Aufträge in den kommenden Monaten, was die Konjunktur wohl dämpfen dürfte. Dieser Effekt könnte zuweilen kräftig ausfallen und bis in den Sommer hinein anhalten. So waren die US-Pharmaimporte im März 2025 beinahe drei Mal so hoch wie im März 2025.
Dagegen könnte der Arbeitsmarkt von einer Beruhigung im Handel profitieren. In der Erholungsphase nach der Coronapandemie wurde den Unternehmen klar, dass Personal gegebenenfalls eine knappe Ressource ist. Deshalb kam es selbst dann kaum zu Entlassungen, wenn sich die geschäftliche Lage eintrübte. Wenn die langfristigen Aussichten wieder optimistischer eingeschätzt werden, könnten die Unternehmen an dieser Personalpolitik festhalten, was wiederum positive Auswirkungen auf die Stimmung und das Konsumverhalten der Verbraucher hätte. Für ein differenziertes Bild sind natürlich sämtliche Wirtschaftsdaten erforderlich. Aber für sich genommen dürften die US-Arbeitsmarktdaten wohl der wichtigste Indikator dafür sein, ob das Umfeld für die Unternehmen so unsicher – und damit auch so riskant – ist, dass mehr Personal entlassen wird.
Die Woche voraus
In der kommenden Woche wird sich die Aufmerksamkeit auf die Vorabschätzungen für die Mai-Einkaufsmanagerindizes für alle wichtigen Volkswirtschaften konzentrieren, da sich daran abschätzen lässt, wie sich die zugrundeliegende Konjunktur nach den US-Zollankündigungen vom 2. April entwickelt hat. Im vergangenen Monat deuteten die Daten auf eine gewisse Abschwächung hin, die aber deutlich geringer ausfiel als in den Umfragen, die tendenziell sensibler auf Stimmungsumschwünge reagieren.
Im Euroraum zeigt der ifo-Index für Deutschland nach einer langen Schwächephase Anzeichen für eine Erholung, da mit höheren Staatsausgaben und einer wirtschaftsfreundlicheren Politik der neuen Bundesregierung gerechnet wird. Außerdem werden in Deutschland Einzelheiten zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal sowie die Produzentenpreise für April veröffentlicht.
In den USA sind die Neubauverkäufe und die Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung in der kommenden Woche die einzigen wichtigen Datenreihen.
In China dürfte sich das Wachstum der Industrieproduktion und der Einzelhandelsumsätze gegenüber dem kräftigen Stand vom Jahresbeginn abschwächen.
In Großbritannien dürfte der Verbraucherpreisindex (VPI) für April durch administrierte Preissteigerungen nach oben getrieben werden. Die Bank of England prognostiziert, dass der VPI von derzeit 2,6% in den kommenden Monaten auf deutlich über 3,0% ansteigen dürfte. Das Verbrauchervertrauen dürfte in Großbritannien schwach bleiben, da sich die Arbeitsmarktsituation eintrübt. Freuen wir uns darüber, dass die handelspolitischen Belastungen wenigstens vorerst etwas abgenommen haben!
Sean Shepley
Senior Economist