Marktberichte

Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 22.03.2024

Wenn man „einen Lauf“ hat

Kennen Sie das, wenn ihre Lieblingsmannschaft zu einer Siegesserie ansetzt, oder man beim Kartenspiel mehrmals hintereinander ordentlich Asse und Trümpfe zugeteilt bekommt? Man hat sprichwörtlich „einen Lauf“. So etwas ähnliches gibt es auch auf den Aktienmärkten. Nämlich dann, wenn genau die Aktien, die in den letzten Wochen oder Monaten besonders stark gestiegen sind, auch in Gegenwart weiter besonders gut abschneiden. Fachleute sprechen dann von einer starken Performance des „Momentum“-Faktors.

Starkes Momentum ist gerade besonders in den USA beobachtbar, aber auch anderswo. Die Überrendite des S&P 500 Momentum Index gegenüber dem gewöhnlichen, marktbreiten S&P 500 Index über einen 6-Monatszeitraum war seit 1981 nur einmal stärker als in diesen Tagen, nämlich im Frühjahr 2000. Gleichzeitig bleibt der US-Aktienmarkt sehr konzentriert, das Marktgewicht der größten Unternehmen am Gesamtmarkt ist vergleichbar mit Phasen wie der „Nifty501“-Periode um 1973 und der TechnologieÜbertreibungsphase im Jahr 2000.

Das weckt nicht unbedingt gute Erinnerungen für den Gesamtmarkt und die hochgeflogenen Momentum-Aktien. Zur Verteidigung der heutigen Schwergewichte lässt sich allerdings anmerken: Sie sind hoch, aber merklich weniger hoch bewertet als zu Beginn des Jahrtausends und deutlich profitabler als ihre Pendants Anfang der 1970er Jahre – bei ähnlicher Bewertung. Überhaupt kann man einen recht starken Zusammenhang zwischen der heutigen Momentum-Rally und fundamentalen Qualitäts-Faktoren wie Gewinnentwicklung und Rentabilität feststellen – es scheint also nicht ausschließlich Fantasie gehandelt zu werden.

Zudem findet die Momentum-Rally in einem Umfeld überraschend robusten US-Wachstums statt, was inzwischen auch der überwiegenden Mehrzahl der Aktien hilft. So hat seit dem letzten Tiefpunkt Ende Oktober 2023 beispielsweise der amerikanische Nebenwerte-Index Russell-2000 deutlich über 20% zugelegt – auch hier mit einem Vorteil für den Momentum-Faktor.

Langfristig betrachtet, scheinen diejenigen Aktien, die „einen Lauf“ haben, besser als der Durchschnitt abzuschneiden.

Es liegt allerdings in der Natur des Momentum-Faktors, dass er zwischenzeitlich auch stärkere Rückschläge hinnehmen muss. Dann ändert sich meist die mehrheitliche Einschätzung zu einem wichtigen Markttreiber. Auf die heutige Situation übertragen könnte dies bedeuten: Sollte sich das Wachstum in den USA weiter robust zeigen und in anderen wichtigen Regionen sich wieder stabilisieren, dann könnte der Siegeszug des Momentum-Faktors durch eine Aufholbewegung der zurückgeblieben Werte gestoppt werden. Sollte sich dagegen die Inflation als zäher als gedacht erweisen und die erhoffte „sanfte Landung“ der Konjunktur scheitern, dann könnten sich die Bewertungen der „Highflyer“ als zu ambitioniert erweisen. Aktives Management bleibt also gefragt.

Die Woche voraus

Nach dem Stakkato der Zentralbank-Meetings in der vergangenen Woche, die zum Beispiel das Ende der Negativzins-Ära in Japan und damit weltweit gebracht hat, dürfte sich der Nachrichtenfluss in der kommenden Woche wieder etwas beruhigen. Schlaglichter sind der Einkommens- und Ausgaben-Bericht der USamerikanischen Haushalte am Freitag, in dessen Zuge auch die für die Federal Reserve Bank (Fed) relevante PCE2 -Inflationsrate, die an den persönlichen Konsumausgaben ansetzt, berichtet wird. Schon vorher am Dienstag wird das US-Verbrauchervertrauen veröffentlicht werden, ebenso wie der Auftragseingang für langlebige Güter. Stimmungsdaten wird es am Mittwoch auch in Europa geben, nämlich diejenigen der EUKommission. In Asien stehen die Inflationsdaten für Japan am Freitag im Mittelpunkt, außerdem die Industrieproduktion für Februar.

Einen guten „Lauf“ wünscht Ihnen

Stefan Rondorf
Senior Investment Strategist, Global Economics & Strategy


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Fußnoten

1 Nifty50-Periode: Phase starker Outperformance der sogenannten „schicken Fünfzig“-Aktien, einer Gruppe von US-Unternehmen mit scheinbar unverletzlichen Geschäftsmodellen, welche ihren Höhepunkt Anfang der 1970er Jahre in letztlich zu hohen Unternehmensbewertungen fand.
2 Personal Consumption Expenditure (=persönliche Konsumausgaben)