In Finanzkreisen spricht man vom ´Witwenmacher Geschäft´, wenn man an die jahrelangen Spekulationen auf steigende Leitzinsen in Japan gesetzt hat. Die Erwartung ansteigender Leitzinsen in Japan besteht bereits seit vielen Jahren.
Dennoch liegt der Leitzins seit dem 24. Januar dieses Jahres lediglich bei 0,5 %. Damit liegt der Kurzfristzins weit unterhalb der aktuellen Geldentwertungsrate. Für den Juli wurde eine Inflationsrate in Höhe von 3,1 % gemeldet. Entsprechend negativ ist die Realverzinsung bei Zinsanlagen in Nippon. Diese Beobachtung verändert sich nicht, wenn man auf die aktuellen Renditen zehnjähriger japanischer Staatsanleihen blickt. Derzeit beträgt die Rendite dort 1,6 %. Immerhin weist der japanische Staatsanleihenmarkt eine recht steile Zinsstrukturkurve mit dreißigjährigen Zinsen in Höhe von knapp 3,2 % auf.
Auf die Landeswährung Yen haben die niedrigen Zinsen eine höchst nachteilige Wirkung entfaltet. Kostete ein Euro zum Zeitpunkt der Eurobargeldeinführung am 1. Januar 2002 ca. 117 Yen, so sind es mittlerweile gut 170 Yen. Gegenüber dem US-Dollar und anderen Währungen war die Entwicklung ähnlich negativ. Das hat unterdessen dazu geführt, dass Japan von Deutschland als drittgrößte Wirtschaftsnation abgelöst wurde. Überdies reflektiert der Yen-Absturz die ´verlorenen wirtschaftlichen Jahrzehnte´ im Land der aufgehenden Sonne. Das anämische Wirtschaftswachstum in Japan war, begleitet von einer leicht deflatorischen Entwicklung, mit jahrzehntelangen Minizinsen bei gleichzeitig unvorteilhafter demographischer Entwicklung verknüpft.
Während sich die Bevölkerungspyramide in Japan jedoch keineswegs verbessert hat, konnte die Volkswirtschaft wieder auf einen Wachstumspfad einbiegen. Die Zeiten der Deflation liegen in der Vergangenheit und mittlerweile hat Japan eine Inflation, die höher liegt als jene in Amerika und der EU. Dabei muss allerdings bedacht werden, dass die japanische Teuerung durchaus stark mit dem schwachen Yen in Zusammenhang steht. Vor allem Rohstoffe – nicht zuletzt Erdöl, Erdgas, Kohle und Uran – müssen aus dem Ausland beschafft werden. Auf der anderen Seite ist der schwache Yen beim Export vielen Firmen sehr behilflich.
Da aber die Inflation in der Bevölkerung langsam für Unbehagen sorgt, steht die Notenbank mehr und mehr vor der Notwendigkeit, der Geldentwertung Einhaltung zu gebieten. Insofern sind Erwartungen bezüglich anstehender Zinserhöhungen durchaus folgerichtig. Der seit April 2023 im Amt befindliche Notenbankgouverneur Kazuo Ueda steht also vor weitreichenden Entscheidungen. Eine beherzte Inflationsbekämpfung würde dem japanischen Yen zu deutlich steigenden Kursen mit negativen Folgen für die Exportindustrie verhelfen. Und das zu einer Zeit, in der amerikanische Zölle die Aussichten für Japans Exporteure bereits erheblich eingetrübt haben.
Weil ich von sukzessiven Leitzinserhöhungen in Japan ausgehe, habe ich mich bei den japanischen Aktien in meinem Fonds überwiegend auf domestische Unternehmen konzentriert. Hoffentlich erweist sich diese Positionierung nicht als ´Witwenmacher Aufstellung´.
Aus Chicago
Ihr
Dr. Christoph Bruns