Marktberichte

Loys Capital Kolumne vom 11.01.2022

Zinswende als Börsenmenetekel

Die Signale einer anstehenden Zinswende verdichten sich. Wie immer kommt es dabei vor allem auf die Vorgehensweise der amerikanischen Notenbank Fed an. Sie war es auch, die den Jahrhundertzyklus der unerhörten Zinssenkungen während der Subprime-Krise auf den Weg brachte.

Ungeachtet dessen haben einige kleinere Länder bereits ihre Leitzinsen angehoben. Gemeint sind Polen, Argentinien, Russland und vor allem Großbritannien. Die Zinsanhebung in Albion verschaffte dem britischen Pfund sogleich tüchtigen Aufwind.

In den Vereinigten Staaten rechnen Finanzmarktteilnehmer inzwischen mit mindestens drei Zinserhöhungen um jeweils 0,25%. Die erste dieser Erhöhungen dürfte im März erfolgen. Auch die kolossalen Anleihekaufprogramme dürften langsam heruntergefahren werden. Gleichwohl vollziehen die Zentralbanker die Wende nicht gerne. Aber nachdem Sie die stramme Geldentwertung der letzten Monate kleingeredet haben, ist der Druck inzwischen groß geworden, die Politik der Ignoranz aufzugeben und stattdessen etwas gegen die galoppierende Inflation zu tun. Dabei ist zu gewärtigen, dass die US-Bürger in den letzten 12 Monaten knapp 7% ihres Vermögens bzw. ihrer Kaufkraft durch die Geldentwertung verloren haben. Angesichts der kalten Progression müssen die Bürger mit höheren Steuern rechnen, obwohl sie real keinen Zuwachs hatten.

Was nun Europa angeht, so darf man fest davon ausgehen, dass die EZB dem Vorbild der Fed über kurz oder lang folgen wird. Zwar hat sich in der EZB die Schwachwährungspolitik, wie sie bei der Banque de France und der Banca d´Italia eine lange Tradition hat, durchgesetzt. Gleichwohl ist die Diskrepanz zwischen den gelassenen verbalen Beschwichtigen durch EZB-Präsidentin Christine Lagarde und den stark angesprungenen Geldentwertungsraten für größere Teile der Bevölkerung zunehmend unerträglich.

An den Aktienbörsen wurde die Zinssteigerungsphantasie negativ vermerkt. Alle Börsenerfahrung geht von einem wertmindernden Einfluss steigender Zinsen für die Werte der Unternehmen aus. Dies gilt vor allem für hoch verschuldete Betriebe. Entlastung ist hingegen dort zu erwarten, wo hohe Pensionsverpflichtungen durch gestiegene Abzinsungsraten bilanziell niedriger ausfallen.

Einen gediegenen Sonderweg beschreitet in der Geldpolitik die Türkei. Dort versucht Präsident Erdogan Kapitalflucht und Inflation mit sinkenden Zinsen und Verbotsmaßnahmen zu stoppen. Ein unorthodoxes Vorgehen, das der Landeswährung Lira mächtig zugesetzt hat. Allzu leicht wird vergessen: Starke Länder haben i.d.R. eine starke Währung.

Viele deutsche Sparer würden steigende Zinsen als Wohltat empfinden. Sie haben leider aus eigenem Entschluss die fast vier Jahrzehnte weilende Zinssenkungsphase nicht genutzt, um in dynamische Sachwerte zu diversifizieren. Die vergleichsweise schwache Geldvermögensentwicklung ist vor allem der Aktienabstinenz geschuldet.

Aus Chicago

Ihr
Dr. Christoph Bruns


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