Auf dem Weltmarkt für Rohöl zeichnen sich wesentliche Verschiebungen ab. Das Land mit den größten Reservekapazitäten, Saudi-Arabien, leitet einen Strategiewechsel ein. Dem Vernehmen nach ist man in Riad verstimmt über die Disziplinlosigkeit innerhalb des OPEC-Kartells. Aber anstatt die Überproduktion anderer Mitglieder durch eigene Zurückhaltung auszugleichen, wollen die Scheichs nunmehr die eigene Ölproduktion ausweiten.
Eine solche Politik wird tendenziell zu sinkenden Rohölnotierungen führen und schadet vor allem jenen Produzenten, die vergleichsweise hohe Förderkosten aufweisen. Zugleich dürfte der Staatshaushalt in Saudi-Arabien unter dieser Politik kurzfristig leiden. Die Quartalsergebnisse von Saudi Aramco, dem größten Ölunternehmen der Welt, deuten bereits in diese Richtung. Dort haben die rückläufigen Rohölnotierungen bereits zu einer Kürzung der Dividende für das erste Quartal um ca. ein Drittel geführt.
Der amerikanische Präsident Trump dürfte sich zunächst über fallende Ölpreise freuen, denn er wurde nicht zuletzt dafür gewählt, die Preisanstiege der letzten Jahre in den Griff zu bekommen. Zugleich bringt der Schwenk Saudi-Arabiens Probleme für die amerikanischen Ölförderer mit sich, denn deren Förderkosten liegen, sofern sie auf dem amerikanischen Festland produzieren, deutlich oberhalb der saudischen Kosten. Der Wunsch des US-Präsidenten, die US-Ölförderung zu beleben, wird dadurch konterkariert. Tatsächlich ist die Neigung amerikanischer Öl-Gesellschaften, nach neuen Öl-Lagerstätten zu suchen, zuletzt deutlich zurückgegangen.
Die rückläufigen Quartalsergebnisse bei den meisten amerikanischen Ölunternehmen bieten einen Vorgeschmack auf die sich anbahnende Verschlechterung der Lage. Allgemein kann eine zunehmende Zurückhaltung bei den Investitionsbudgets konstatiert werden. Mitunter wurden bereits Entlassungen in großem Stil (z. B. Chevron) angekündigt. Von dieser Entwicklung sind vor allem kleinere Unternehmen betroffen, die ausschließlich auf dem amerikanischen Festland operieren.
Weil die Investitionsbudgets der Ölunternehmen zugleich die Umsätze der Öl-Serviceunternehmen sind, spürt dieser Sektor die Zurückhaltung ganz unmittelbar. Entsprechend rückläufig gestalteten sich die Quartalsergebnisse bei den Marktführern SLB (vormals Schlumberger), Halliburton und Baker Hughes. Die Aktienkurse der genannten Unternehmen reagierten äußerst empfindlich auf das antizipierte Makro-Umfeld. Die Papiere von Halliburton haben sich in den letzten zwölf Monaten nahezu halbiert. Insgesamt ist zu gewärtigen, dass die internationalen Geschäfte besser laufen als die inneramerikanischen. Zudem erweist sich die Tiefseeförderung als stabiler im Vergleich mit dem kontinentalen Frackingsektor.
Die Verschiebungen könnten auch für die großen Ölgesellschaften Veränderungen mit sich bringen. In den letzten Wochen wurde bekannt, dass Shell, Exxon, Adnoc und Chevron sich mit dem Thema einer Übernahme von BP beschäftigen. Die Briten haben ihrerseits einen Strategiewechsel eingeleitet und wollen sich wieder stärker auf die Förderung von Öl und Gas konzentrieren. An den Finanzmärkten wäre man nicht überrascht, wenn die von Saudi-Arabien eingeleitete Entwicklung zu mancherlei Dynamik im Ölsektor führen würde.
Aus Chicago
Ihr
Dr. Christoph Bruns